Beruflicher Tiefpunkt
Arbeitsatmosphäre
Die unangenehmsten Erfahrungen meines Berufslebens gleich zum Einstieg. Mein Mentor gibt mir direkt zu verstehen, dass er nie Mentor sein wollte, und am Produkt gebe es eh nichts mehr zu tun. Mitarbeiter, die sich über die Jahre unverzichtbar gemacht haben, und bei sich anbahnender Konkurrenz um sich beißen. Lange Gänge mit geschlossenen Türen, jeder werkelte vor sich hin. Unnötig viele Ebenen von Verantwortlichen, Zuständigen, Planern und Möchtegern-Häuptlingen.
90% der Respektlosigkeiten meines Berufslebens habe ich hier erlebt.
Die Firma startete dann mit großem Invest die Agile-Initiative, eine dringend benötigte Kulturwandlung, für mich der Hoffnungsfunke. Das wurde dem Management am Ende aber zu unbequem. Es wurde entweder offen in Frage gestellt oder durch die Hintertür wurden wieder die alten Mechanismen etabliert (Scrum Master als Proxy-Vertrauter teilt dem Team direktiv die Aufgaben zu).
Wer schon ein bißchen was gemacht hat, sollte sich das hier nicht antun.
Kommunikation
Die interne Unternehmenskommunikation auf Betriebsversammlungen, Intranet und Infoveranstaltungen findet statt.
Im Projektgeschäft gilt allgemein eher "Wenn man nichts hört ist alles O.K".
In der Projektabwicklung wäre eine partnerschaftlichere Kommunikation zwischen Engineering und Programmbereich vorteilhaft.
Kollegenzusammenhalt
Auf der einen Seite gab es die Leidensgenossen in den Projekten, die das gleiche Engagement und Pensum hinlegten. Denen konnte man blind vertrauen, mündliche Absprachen reichten und wurden eingehalten, für diese machte man selbstverständlich nebenher noch ein Überstündchen extra, von denen konnte man jederzeit das Gleiche erwarten.
Vom Management völlig unbehelligt agieren konnten allerdings auch diejenigen, die ihre Freiräume oder Status zu nutzen wussten. Wenn jemand patzt, muss halt wieder einer der "Helden" zum Nacharbeiten kommen, das trägt auf Dauer nicht.
Work-Life-Balance
Ärgerlich, wer produktiv ist hat keinen Sommerurlaub, schiebt Überstunden vor sich her und kann seine Analysefähigkeit in einer Anzahl von Projekten unter Beweis stellen.
Wer weniger produktiv ist wird komplett in Ruhe gelassen.
Vorgesetztenverhalten
Alte Schule. Kein Ohr an der Technik. Kriegen nur mit, was an sie herangetragen wird. Sehen die Bomben erst, wenn sie schon einschlagen und dann wird hektisch reagiert. Wussten im letzten Mitarbeitergespräch nicht einmal, was ich in den vorausgegangenen Monaten gemacht hatte.
Interessante Aufgaben
Kultur und Technologien aus den 90ern, das gilt auch für die Produkte.
Die Produktanwendung in den durchaus interessanten Projekten könnte sich von der Belastung zum Motivationstreiber entwickeln, sobald dem Engineering die Transformation vom kostenvermeidenden Maintenance-Mode in den lösungsorientierten, gestaltenden Abwicklungsmodus geglückt ist.
Umgang mit älteren Kollegen
Generell hoher Altersdurchschnitt, was hier niemandem geschadet hat. Bis auf unterschiedliche kulturelle Vorstellungen ist das Alter in der Praxis auch nicht besonders relevant.
Gehalt/Sozialleistungen
Die betriebliche Altersvorsorge ist großzügig. Ansonsten trägt die Firma sehr vor sich her, dass sie nach IGM-Tarif zahlt. Ich fand das Gehalt für Münchner Verhältnisse nie außergewöhnlich, im neuen Job gab es dann (individualvertraglich) auch 15% mehr.
Image
Die Firma lebt sehr von der EADS/Airbus-Historie. Ob die verordnete, neue Aufbruchsstimmung nach dem Carve-Out zündet, wird sich ja zeigen.
Karriere/Weiterbildung
Karriere bleibt einigen wenigen vorbehalten und da geht es offensichtlich hauptsächlich um den Nasenfaktor.
Wer Arbeit wegschafft wird klein gehalten und direktiv mit immer mehr Feuerwehreinsätzen beglückt. Man wird ja als Packesel benötigt. Da wird der eigene Erfolg zum persönliche Nachteil. Dann gilt kein Entwicklungsplan mehr. Dann macht man nicht mehr das, wofür man eingestellt wurde. Dann gibt es keine Perspektive/Entwicklung mehr, als Ausblick nur die dringenden Tasks für die nächsten drei Wochen.
Als Dank kommen Slogans wie "Leistungsträger müssen hier halt mehr machen als andere". Leistung lohnt sich hier nicht.
Ich hatte im bisherigen Berufsleben nie das Gefühl, nur eine Resource zu sein. Hier war es Realität.