Kann den guten ersten Eindruck leider nicht halten.
Gut am Arbeitgeber finde ich
Von außen betrachtet liest es sich wie ein österreichisches Silicon-Valley-Märchen. Ein aufstrebendes Unternehmen das reihenweise Preise und Auszeichnungen abräumt, mit einem selfmade Unternehmer an der Spitze, der seinen Zögling von einer kleinen Webdevelopmentfirma zu einem internationalen IT-Dienstleister aufgebaut hat und nicht müde wird zu betonen wie sehr er den Standort Österreich und die Qualität des Personals schätzt. Permanent auf Expansionskurs. Gutes Image, klingt vielversprechend.
Die Bewerbung auf der sehr ansprechend gestalteten Webseite ist unkompliziert, lediglich etwas flotter könnte der Ablauf sein. Keine besonderen Vorkommnisse bis zum Arbeitsantritt.
Auch von innerhalb des Unternehmens ist der erste Eindruck gut, die Kollegen sind allesamt sehr freundlich, es gibt einen lockeren, entspannten Umgang miteinander, auch mit den Vorgesetzten - so soll das in einem jungen, dynamischen Team sein! Flexible Arbeitszeiten dank Gleitzeitkonto, interessante Kundenprojekte und 2 Mal pro Jahr eine Firmenfeier. Außerdem gibts kleine Geschenke zu Weihnachten. Der Arbeitsplatz ist technisch einwandfrei und ergonomisch gut eingerichtet. Beste Voraussetzungen für einen Langzeitposten?
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Wie so oft ist es aber leider so - was zu gut klingt um wahr zu sein, hat vermutlich irgendwo einen Haken. Nach einigen Monaten setzt langsam die Ernüchterung ein. Überzeiten sammeln sich auf dem Gleitzeitkonto an, diese in Anspruch zu nehmen wird immer schwieriger, da die Auftragslage es kaum zulässt, man hetzt von einer Deadline zur nächsten. Weiters stellt man am Ende des Monats fest, dass man mit dem Guthaben am Gleitzeitkonto leider keine Rechnungen bezahlen kann. Immerhin, man kann das Zeitguthaben doch auszahlen lassen um das eher durchschnittliche Gehalt aufzubessern... oder?
Der Versuch Zeitguthaben ausgezahlt zu bekommen erinnert an den Film "Asterix erobert Rom", genauer an die Szene mit dem Passierschein A38. Sisyphus hätte seine wahre Freude an diesem Unterfangen. Man stelle sich auf Diskussionen à la "Bleib halt einen Tag pro Woche zuhause" oder "Wieso auszahlen, du hast Gleitzeit" ein. Also nimmt man sich zähneknirschend Zeitausgleich, den man sowieso innerhalb von 1-2 Wochen wieder eingearbeitet hat weil - siehe oben - Auftragslage und Deadlines. Zudem zahlt auch einen Tag pro Woche zuhause sitzen leider keine Rechnungen.
Auch sonst gibt man sich bei Gehalts- oder Dienstvertragsfragen bestenfalls desinteressiert. Ganz ehrlich - das ist dieser Firma absolut unwürdig. Solche Diskussionen lasse ich mir in einer kleinen 10-Mann IT-Bude einreden, die sich solche Zahlungen einfach nicht leisten kann; aber nicht in einem Unternehmen von über 100 Mitarbeitern, das aktiv durch Firmenakquisen expandiert. Offensichtlich regiert auch hier die Prämisse "Personalkosten sind böse" und man verwendet das erwirtschaftete Geld lieber zur Expansion und den Aufbau einer (zugegeben, überfälligen) Managementebene anstatt das Personal an dem mit-verantworteten Erfolg teilhaben zu lassen.
Schade. Mit der gelebten Personalpolitik wird man sich über kurz oder lang selbst das Bein stellen, und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis der Braindrain auch hier einsetzt. Meines Erachtens nach maximal als Steigbügel geeignet bis sich eine andere Karrieremöglichkeit ergibt. Bis dahin bleibt das unangenehme Gefühl, dass die Leistung der Mitarbeiter zwar nach außen hin als geschätzt kommuniziert, nach innen hin aber als selbstverständlich abgetan wird.
Kommunikation
Es fehlt leider an offizieller Kommunikation; man wird bei Neuerungen/Änderungen oft einfach vor vollendete Tatsachen gestellt.
Kollegenzusammenhalt
Nur ein Wort: Spitze!
Work-Life-Balance
Urlaub zu konsumieren ist relativ unkompliziert, auch ist es kein Problem wenn man kurzfristig dringend einen Tag frei braucht.
Die erwartete Arbeitsleistung ist allerdings sehr hoch, und einen entsprechenden Ausgleich für Überstunden zu erhalten ist schwierig bis unmöglich.
Vorgesetztenverhalten
Hatte bisher nie größere Probleme mit meinem Vorgesetzten - ist sehr verständnisvoll wenn man zb. akut ein paar Stunden weg muss.
Interessante Aufgaben
Viele interessante Projekte, leider zu viele.
Arbeitsbedingungen
Räumlichkeiten sind gut, Arbeitsgeräte ebenfalls, Beleuchtung und Sitzgelegenheit ebenfalls. Nur die Klimatisierung ist (obwohl vorhanden) viel zu schwach. Sauna ahoi.
Gehalt/Sozialleistungen
Gehälter kommen stets pünktlich, sind aber eher Durchschnitt. Keine Boni, keine wie auch immer gearteten Prämien, keine zusätzlichen Leistungen, keine bezahlten Überstunden (Gleitzeitkonto).
Image
Die Firma hat nach außen hin ein sehr gutes Image, die Zufriedenheit der Mitarbeiter bietet aber ein eher durchwachsenes Bild.
Karriere/Weiterbildung
Keinerlei externe Weiterbildungsmöglichkeiten (Zertifizierungen, Kurse, ...) werden angeboten. Wissensvermittlung erfolgt wenn, dann informell direkt zwischen den Mitarbeitern. Aufstiegsmöglichkeiten fraglich, in HR-Fragen gibt man sich zuerst aufgeschlossen, sobald es aber konkret werden soll verläuft sich alles langsam im Sand. Zum Selbststudium bleibt ebenfalls wenig Zeit.