Unterirdisch, rechtlich mindestens fragwürdig und ohne Ambitionen sich zu verbessern
Gut am Arbeitgeber finde ich
Die Lage des Büros ist fantastisch und ich habe viele nette Menschen kennengelernt. Ich unterstelle der Firma, dass eben weil sie gute Ansichten hat, sie die Augen so oft vor dem Status quo verschließt und deshalb notwendige Änderungen nicht umsetzen kann. Das ist nur menschlich, auch wenn ich in dieser Umgebung nicht meine Zeit verschwenden will und mich ärgere, dass ich überhaupt dort war.
Verbesserungsvorschläge
Ich habe meinem Arbeitgeber währenddessen an unterschiedlichen Stellen zu unterschiedlichen Momenten immer wieder Feedback und konkrete Vorschläge gegeben. Es war für mich schmerzhaft zu erkennen, dass das Ziel der Firma eher ist, Feedback offen zu wirken als (huch!) wirklich etwas ändern zu wollen. Im Gegenteil, es wird halt als Boomerang benutzt um den Mitarbeitenden irgendwann zu spiegeln, dass sie in dem bestimmten Bereich noch nicht professionell genug sind um „zu verstehen“.
Arbeitsatmosphäre
Ein typischer Tag ist vollgestopft mit Meetings, bei denen man verwundert zuhört, wie viel Selbstdarstellung Menschen in 60 min unterkriegen. Die Meetings sind nicht effizient, nicht zielführend und nicht wertschätzend. Eigene Kompetenzen werden maßlos überschätzt, zumindest was meinen Bereich angeht (für den Rest kann ich es nicht sagen). Da Unilever jahrelang vorrangig bis ausschließlich intern gehired hat, gibt es einen Prototypen „young insecure manager who calls himself / herself a leader“. Es gibt ganz viele warme Worte, aber wenig tatsächliche Wertschätzung, indem man z.B. Empfehlungen folgt, die Leute nicht in ABM-Maßnahmen schiebt oder den Leuten Entscheidungen zutraut, für die man sie eingestellt hat. Keiner in diesem Laden beschäftigt sich mit irgendjemandem außer sich selbst.
Kommunikation
Man wird belogen. Aber man wird belogen von Leuten, die sich selbst belügen, weshalb konstruktives Feedback keinen Effekt hat.
Kollegenzusammenhalt
Es gibt schlaue unerfahrene Köpfe dort und erfahrende Köpfe. Schlaue erfahrene Köpfe leider immer nur kurz, weil sie idR nach 2-3 Jahren wieder aus dem Unternehmen wechseln. Es sind alle sehr nett. Aber wirkliche Weiterentwicklung und echten Zusammenhalt gibt es nicht und das wird auch organisatorisch durch Verantwortungsdiffusion, direkte Konkurrenzsituationen und ständige Personalwechsel unterbunden. Ob aktiv oder passiv kann ich nicht sagen. Wie bei allen Themen stellt sich hier die Frage: möchte ich lieber aus Unvermögen oder Unwillen meines Gegenübers leiden? Ist es mir also lieber, wenn mein Arbeitgeber
böswillig oder unfähig ist?
Work-Life-Balance
So lange ich immer mal wieder emails abends und morgens verschickt habe und die Teams alerts aktiviert hatte, waren alle überzeugt von meinem emsigen Arbeitsdrang. In meiner Beobachtung zählt nur das: die Selbstinszenierung als hungriges Top Talent (das aber natürlich nichts fordert, sondern nur leisten will). Wenn man das tut, ist es völlig egal wie viel man tatsächlich arbeitet.
Vorgesetztenverhalten
Kein Top Talent sollte bei Unilever kostbare Lebenszeit verschwenden müssen. Bei Unilever gibt es leider keine guten Vorbilder für Führung. Ich habe in meiner Zeit dort ca 2-3 Leute getroffen, die gute Team Leads waren, mehr nicht. Das Tragische dabei: es gibt viele Leute, die es sehr gern wären und sich auch engagieren. Aber die meisten Menschen brauchen eben doch Vorbilder und Training um gute Führungskräfte zu sein. Ich habe dort wirklich diskriminierende, demotivierende und destruktive Gespräche wie sonst nirgends geführt. In keinem anderen Unternehmen habe ich je so eine geballte Konzentration an Unwissen zu guter Führung gesehen. Und fairerweise gibt es auch nur 4-5 Leute, die wirklich führen dürfen. Als herkömmliche Führungskraft kann man bei Unilever z.B. keine Personalentscheidungen treffen, Weiterbildungen ermöglichen oder z.B. Coaching spezifisch ermöglichen (abgesehen von „intern zertifizierten Anbietern“). All das, was Führung mEn ausmacht: Menschen weiterentwickeln und dafür zu sorgen, dass sie im Sinne der Firma den bestmöglichen Job machen können, darf ein herkömmlicher Team Lead nicht entscheiden. Also er kann es nicht und darf es nicht. Und das merkt man.
Interessante Aufgaben
Grundsätzlich gäbe es spannende Aufgaben in dieser Branche und in der Komplexität des Konzerns. Aber man ist die meiste Zeit damit beschäftigt, PowerPoint Folien zu erstellen und Passierscheine A38 auszufüllen.
Gleichberechtigung
Wie gesagt: Bereichs- und themenübergreifend Diskriminierung gesehen und erfahren. Bei Unilever gilt das Motto: Es kann nicht sein was nicht sein darf, weil das stark vom eigenen Selbstbildnis abweichen würde. So wird es nur leider auch nicht besser.
Umgang mit älteren Kollegen
Wir waren ein Team aus mehr jungen bis mittelalten Personen, die keine Ahnung von den Systemen und der Vergangenheit hatten, weil alle älteren Kolleg*innen seltsamerweise nicht mehr da waren. Ich habe nicht aktiv erlebt, dass jemand diskriminiert wurde - es war ja niemand da zum diskriminieren und das ruft hoffentlich laut genug „Achtung!“
Arbeitsbedingungen
Gute Lage in der Stadt (wenngleich das neue Gebäude direkt sanierungsbedürftig ist), nettes Büro, höhenverstellbare Schreibtische und ein lahmer Laptop, der genauso lahm ist wie die Laptops aller anderen. Tut nicht weh, war aber im Vergleich unter dem Durchschnitt.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Greenwashing par excellence.
Gehalt/Sozialleistungen
Diese Firma wäre absolut gar nichts ohne ihre hochtalentierten Trainees, die wegen des Konzernnamens und des geschickt gewählten Trainee-Programmnamens (Future Leaders, aber hallo!) gekommen sind und aufgrund ihrer Unsicherheit und der spärlichen Chancen übernommen zu werden emsig Tag und Nacht arbeiten. Manche davon stellen das nie in Frage und werden dann team leads, andere gehen einfach, aber der Prozess ist schmerzhaft, das kann man in jeder Generation von Trainees beobachten. Aber sie sind smart, günstig und kritisieren nicht, sodass sie wesentlich attraktiver sind als jeder andere, der eine seiner Qualifikation angemessene Gehaltsforderung stellt.
Image
Ich habe mehr Kritik bekommen als positive Resonanz, wenn ich sagte, dass ich für Unilever arbeite.
Karriere/Weiterbildung
Ich bin weniger qualifiziert nach meiner Zeit dort als zu Beginn meines Unilever Jobs. Es gibt ein paar interne Weiterbildungsmaßnahmen, die wirklich lächerlich sind, aber immerhin hat man Zeit dafür.